Noch nie befeuerten die Parteien den Kulturkampf so stark wie dieses Jahr. Ist die Schweiz wirklich so polarisiert? Unterwegs im Kanton Bern.
Die Alpabfahrt Rämmisgummen ist in Eggiwil jedes Jahr ein Publikumsmagnet.Bald kommen die Kühe. Auf den Trottoirs in Eggiwil warten kurz vor Mittag Hunderte Menschen auf die Viehherde, die sich vom Berg den Weg ins Tal bahnt. Die Alpabfahrt Rämmisgummen ist ein alljährliches Spektakel, das grosse Menschenmassen in die Emmentaler Gemeinde lockt.
Hans Wüthrich etwa traut der SVP als einziger Partei zu, das aus seiner Sicht grösste Problem der Schweiz zu lösen: die Zuwanderung. Verschiedene Gruppen streiten sich ums Rütli, die SVP schiesst gegen Asylsuchende, Regenbogen, Queers und woke Städter, linke Politikerinnen und Politiker sehen vielerorts nur noch Nazis und bezeichnen Gegenrede als «Hetze».
Gender- und Wokeness-Themen werden von den Menschen in Eggiwil nicht als drängende Probleme wahrgenommen. Die wahren Probleme lägen auf der Hand, findet Wüthrich. Neben der Zuwanderung sieht er auch die schwindende Kaufkraft als zunehmende Bürde fürs Land.Foto: Christian Pfander Auch Bärtschi wird am 22. Oktober an die Urne gehen. Er werde aber Köpfe wählen und nicht bloss eine Partei. «Sie wähle ich aber sicher», sagt er und zeigt auf die SVP-Nationalratskandidatin Nadja Günthör, die gerade Öpfelchüechli und Kafi in der Runde verteilt.Affektive Polarisierung. So nennen Wissenschaftler das, was aus den USA in die Schweiz überschwappt.
«Kinder-Flohmi» nennt sich das und ist Teil des Herzogstrassenfestes. Dieses ist an diesem Wochenende das Stelldichein des linken, urbanen Bern. Was Dällenbach damit eigentlich meint: Bei aller Sympathie neigt das linke Bern ab und zu zur Übertreibung. Zu hip, zu alternativ, zu vegetarisch, zu vegan – zu extrem.
Zur zunehmenden Emotionalisierung auch bei SP und Grünen meint ihr Mann Andreas Zürcher : «Wir haben in den letzten Jahrzehnten bei den Rechten gesehen, welcher Politikstil erfolgreich ist und wie sich der Diskurs verschoben hat. Jetzt dürfen die Linken das Feld nicht einfach ihnen überlassen, sondern müssen sich anpassen.
Gemäss Politologin Sarah Bütikofer ist das eine gute Nachricht. «Sind wir ehrlich: Für das Funktionieren der Schweizer Demokratie ist eine Empörung über einen Erziehungsratgeber der Stadt Zürich zur gendersensiblen Erziehung wirklich nicht von Relevanz», sagt sie. Bei den Besucherinnen und Besuchern geht es dagegen weniger um wirtschaftliche Rahmenbedingungen, sondern um soziale Fragen. So kommen viele beim Stichwort «Polarisierung» sofort auf das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich zu sprechen.
Andere stören sich am wahltaktischen Vorgehen der Freisinnigen. So wird insbesondere die Listenverbindung mit der SVP kritisiert. Da diese in manchen Kantonen gleichzeitig eine solche mit der massnahmenkritischen Bewegung Mass-voll eingegangen ist, ist einigen die Nähe zu dieser Vereinigung zu gross.
Rubigen hat noch etwas anderes mit vielen Agglogemeinden gemeinsam: Hier ist die Wählerschaft der Mitte-Parteien zu Hause. In den Ein- oder Zweifamilienhäusern werden Wahlen und Abstimmungen entschieden. Nur allzu oft ist in der Schweiz die Mitte das Zünglein an der Waage.
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