Mike Egger, Franziska Ryser und Andri Silberschmidt bilden die bekannteste Wohngemeinschaft der Schweiz. Wir haben sie durch turbulente zwölf Monate Wahlkampf begleitet.
«Eine Abwahl ist nie ausgeschlossen»: Mike Egger , Andri Silberschmidt und Franziska Ryser am letzten Tag der Session in Bern.Vielleicht ist dieser 29. September, der gerade anbricht, der letzte Tag der ersten Nationalrats-Wohngemeinschaft. Um 7.04 Uhr betritt Andri Silberschmidt, frisch geduscht, die WG-Stube. Franziska Ryser hat sich schon einen Kaffee rausgelassen, Mike Egger ein Brioche geschnappt.
Ein Jahr zuvor, als wir die WG journalistisch zu begleiten begannen, starteten die drei gerade ihre Mission Wiederwahl. Es folgten turbulente zwölf Monate mit gleich drei Rücktritten aus dem Bundesrat, dem Zusammenbruch einer Grossbank und mehreren persönlichen Höhepunkten und Tiefschlägen.Bei der Gründung vor vier Jahren machte die Wohngemeinschaft der drei Nationalratsmitglieder aus unterschiedlichen politischen Lagern international Schlagzeilen.
Und: «Zu viel Sonne gibt Sonnenbrand», wie es Silberschmidt ausdrückt. Gerade war er wieder in den Schlagzeilen, weil Hans-Ulrich Bigler von der FDP zur SVP gewechselt hat. Silberschmidt hatte 2019 dem schweizweit bekannten Direktor des Gewerbeverbandes den Sitz im Nationalrat abgenommen. Er habe sofort Reimanns Eltern angerufen, damit sie nicht aus den Medien vom Zusammenbruch ihres Sohnes erfahren würden. Doch die Eltern hätten die Session im Livestream verfolgt und alles mitbekommen.
Aber wer wird Ende Jahr überhaupt im Bundesrat sein? In der Wandelhalle kursieren Gerüchte, dass Alain Berset und Ueli Maurer bereits am nächsten Tag ihren Rücktritt verkünden.Dieser habe am Vorabend vor der Fraktion eine so launige Rede gehalten, dass nun alle davon ausgingen, dass er noch lange bleibe. «Er hat alle im Sack gehabt», sagt Egger.5. Oktober 2022, 12.
«Wenn andere ausschlafen bis 8 Uhr», sagt Egger, quetsche er frühmorgens noch eine Sitzung rein. Auch an Wochenenden müsse er ran. «Milizpolitik halt», sagt EggerSchild mit Hashtag: Hier klingelt, wer in die Polit-WG will. Dann stellt sich die Runde Fragen wie: «Wer ist Andri, und warum begeistert er? Welche Themen kann er glaubwürdig vertreten?»Etwas muss sich ändern: Drei Viertel von Silberschmidts Followern in den sozialen Medien sind Männer. Einigkeit herrscht: Eine Zielgruppe müssen «liberale Frauen» sein.
«Verratet ihr, wen ihr gewählt habt?», fragt Ryser beim Kürbisschneiden. «Rösti und Eva Herzog», antwortet Silberschmidt. Egger lässt durchblicken, dass er versucht war, Sprengkandidat Daniel Jositsch zu unterstützen, dann aber doch die offizielle SP-Kandidatin Elisabeth Baume-Schneider wählte. «Wir machen keine Spielchen», sagt er.Zum Essen gibt es «Lobbyisten-Wein von der Pharma», so heisst es WG-intern.
Beim WG-Znacht in der Frühjahrssession präsentiert Mike Egger etwas, so findet er, «das die Linken nicht ablehnen können». Die SVP will die Zuwanderung beschränken – mit der Nachhaltigkeitsinitiative. Zu reden gibt am Tisch einer der Köpfe hinter dem Vorhaben, ein ETH-Doktorand, der für die Bewegung Ecopop weibelt. Zuerst ist er bei anderen Parteien vorstellig geworden, auch bei Andri Silberschmidt – und überall abgeblitzt.
«Der Coup des Andri Silberschmidt», titelte der «SonntagsBlick». Doch nun, am Montag, sieht alles wieder ganz anders aus. Die SVP verweigert die Unterstützung. Das Scheitern des Gegenvorschlags ist programmiert. Silberschmidt ist sich das nicht gewöhnt. Gemäss«Du hättest nicht zum ‹Blick› gehen sollen», sagt Egger. «Bin ich nicht», entgegnet Silberschmidt.
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